Ini Archibong

Ini Archibong: vielversprechender Designer

Der 1983 in Kalifornien geborene Designer wurde kurz nach seinem Abschluss an der Ecole Cantonale d’Art de Lausanne (ECAL) von Hermès beauftragt, eine neue Uhrenkollektion zu entwerfen. Diese Ehre ist das Ergebnis einer über Jahre sorgfältig geplanten Strategie.

Eigentlich ist es ganz ok. Man hatte uns gewarnt, dass Pünktlichkeit nicht unbedingt eine Stärke von Ini Archibong sei. Er kommt aber gerade mal zehn Minuten zu spät zu unserer Verabredung. Man erkennt ihn schon von Weitem. Ein Deutschschweizer Magazin hat den Design-Newcomer aus Kalifornien, dessen Stil schlicht und originell zugleich ist, letztes Jahr zu einem der bestgekleideten Schweizer gekürt. Diskrete orange Krawatte, schwerer grauer Mantel, bequeme neue Sneakers... Beim Smalltalk über die Kleidervorschriften für Designer und Journalisten merkt man rasch, dass Ini Archibong nicht nur gut angezogen, sondern auch umgänglich, locker und... bald ohne Stimme ist. Seit Anfang der Woche gibt er nämlich ein Interview nach dem andern.

Ini Archibong

Einen Termin mit Ini Archibong zu bekommen, ist gar nicht so einfach. «My life is a mess» (mein Leben ist kompliziert), gesteht er, wenn man sich mit ihm verabreden will. Während wir per SMS korrespondieren, ist er mal in New York, mal in Slowenien, dann in Zürich oder Neuenburg. Stets unterwegs zwischen zwei Bahnhöfen und vier Flughäfen. Schliesslich findet unser Treffen im Januar 2019 während der Genfer Uhrenmesse (SIHH) statt. Wir haben ein einstündiges Interview und einen grossen Caffè Americano vor uns.

Ini Archibong hatte einen glanzvollen Start ins Jahr 2019. Er wurde von Hermès auserkoren, eine Kollektion von Damenuhren namens Galop zu entwerfen. «Mit einem solchen Unternehmen zusammenarbeiten zu dürfen, ist für jeden Designer ein Riesenerfolg», sagt Alexis Georgacopoulos. «Erst recht für Ini, der sein Studium erst vor Kurzem abgeschlossen hat und bisher noch nie Kontakt zur Uhrenbranche hatte.» Der Direktor der Ecole Cantonale d’Art de Lausanne (ECAL), an der Ini Archibong in den letzten Jahren studiert hat, findet, Uhrenhersteller hätten manchmal Schwierigkeiten, über die Menschen hinter ihren Projekten zu kommunizieren. «Hermès macht das Gegenteil, was sehr begrüssenswert ist.»

Alles genau geplant

Dass der französische Konzern einen jungen Designer ohne einschlägige Erfahrung mit der bedeutenden Lancierung einer neuen Kollektion beauftragt, hat viele in der Branche überrascht. Nicht jedoch die Hauptperson. «Ich bin in die Schweiz gezogen mit der Absicht, für Hermès zu arbeiten», sagt er. Er hatte alles genau geplant.

Rückblende:  Ini Archibong wurde 1983 als Sohn nigerianischer Eltern in einem Vorort von Los Angeles geboren. In seiner Jugend versuchte er sich als Sprayer, wandte sich aber bald dem Design-Studium an einer Schule in Pasadena zu. Schon während des Studiums gründete er seine eigene Firma «Design by Ini» und ging kurz danach nach Singapur. «Tim Kobe, der den Apple Store entwarf, nahm mich unter seine Fittiche. Ich arbeitete zwei Jahre lang mit ihm zusammen.»

Dann beginnt er, sich zu hinterfragen. «Ich las ein paar Bücher über Luxus, um mir ein Bild von der Welt der Marken zu verschaffen. Hermès ist nach wie vor ein Familienunternehmen, das sich in einem riesigen kreativen Universum bewegt und handwerkliches Können pflegt. Das ist genau das, wonach ich suchte.» Ini Archibong kommt zum Schluss, dass ein möglicher Weg zum Ziel über die ECAL in Lausanne führt. Die Schule arbeitet nämlich mit Hermès zusammen. Seine wohlüberlegte Strategie führt ihn erst nach Basel, dann nach Neuenburg in eine Wohnung, in der sich «früher eine Stahlfabrik» befand. Er beginnt mit einer neuen Ausbildung.

Das Problem mit dem Besteck

Uns bleibt noch etwas Zeit, um die architektonische Schönheit einiger Häuser in La Chaux-de Fonds zu preisen, und schon ist der Kaffee ausgetrunken. Wir schlendern durch die Messe. Ini Archibong ist bereits zum vierten Mal am SIHH. Im Gegensatz zu den normalen Besucherinnen und Besuchern widmet er den eigentlichen Vitrinen besonders viel Aufmerksamkeit. Denn seit 2010 beschäftigt er sich in erster Linie mit Möbeln. Seine Objekte findet man am renommierten SaloneSatellite in Mailand – «eine ganz grosse Sache für Newcomer» –, aber auch in Galerien wie Friedman Benda in New York. Und dann öffnet sich schliesslich die Tür zu Hermès.

«Natürlich habe ich mich einer Firma untergeordnet – wegen der Marke und allem, was sie repräsentiert. Aber ehrlich gesagt haben sie mir viel mehr Freiheiten als andere gelassen», betont Ini Archibong. Es war aber weniger die französische Marke, die ihn unter Druck setzte, als vielmehr er selbst. «Ich bin ein Typ aus Südkalifornien. Als ich in Paris mit den Leuten von Hermès in schicken Restaurants essen ging, musste ich mich extrem anstrengen, das Besteck in der richtigen Reihenfolge zu benutzen...».

Zukunft in der Schweiz

In der ECAL erinnert man sich an Ini Archibong als Musterschüler. «Er war immer sehr energisch in der Sache und hatte ganz genaue Vorstellungen von dem, was er wollte», erzählt Alexis Georgacopoulos. «Mit seiner amerikanischen Art gelingt es ihm, die Dinge gut zu erklären und zu verkaufen. Er findet stets die richtigen Worte und kann sein Gegenüber von seinen Projekten überzeugen. Und er ist natürlich auch ein ausgezeichneter und sehr talentierter Designer.»

Wenn man weiss, wie sorgfältig Ini Archibong seine Zusammenarbeit mit Hermès geplant hat, liegt die Vermutung nahe, dass er bereits eine klare Vorstellung davon hat, was er in den kommenden Jahren machen will. Das ist tatsächlich so, aber er will dazu nichts sagen. Nur so viel: Er wird in der Schweiz bleiben.

Die Stunde ist vorbei. Unser Spaziergang durch die Uhrenmesse ist beendet. Besonders angetan hat es ihm der Stand von François-Paul Journe, dessen Chronomètre Bleu ihn fasziniert. Ini Archibong wirft einen Blick auf seine Uhr – natürlich eine Hermès – und wirkt erleichtert. Für seinen nächsten Termin mit der New York Times ist er nur eine Viertelstunde zu spät.

Profil

1983 Geboren in Südkalifornien, in Pasadena (Los Angeles)

2012 Abschluss am Art Center College of Design in Pasadena

2014 Eintritt in die ECAL in Lausanne

2016 Ausstellung am SaloneSatellite in Mailand

2018 Ausstellung in der Galerie Friedman Benda, New York

2019 Design der neuen Damenuhrenkollektion für Hermès

Der Artikel erschien ursprünglich in der Westschweizer Zeitung Le Temps im Februar 2019

Autor: Valère Gogniat

Bild und Copyright: Guillaume Perret, Lundi13