Revario

Ein Schweizer Start-up will den Markt für nachhaltige und lokal produzierte Kleidung erobern

100% lokal: Das ist die Devise eines Waadtländer Start-ups, das hochfunktionale, nachhaltige Sportbekleidung herstellt. Sein Gründer: ein Ultra-Trail-Fan, dem die Natur am Herzen liegt.

Die Höhen und Tiefen des Ausdauersports sind Michael Ingram bestens vertraut. Er ist es gewohnt, ans Limit und darüber hinaus zu gehen – in Ultraläufen über Distanzen von 80 bis 140 km und bis zu 30 Stunden Dauer. «Es gibt immer einen Moment, wo man kippt, wo sich der Kopf dreht und man das Gefühl hat, in Ohnmacht zu fallen. Da muss man durch.» 

Die Ultralauf-Erfahrung kam ihm bei einem Projekt zugute, das nicht weniger Hartnäckigkeit erfordert: die Lancierung einer Premium-Bekleidungsmarke für diese anspruchsvolle Disziplin, produziert in Einklang mit der Natur, die «das Wesen dieses Sports ausmacht», aber allzu oft missachtet wird. 

Michael Ingram

Michael Ingram wuchs in Huémoz, einem kleinen Dorf in den Waadtländer Alpen, auf. Seit seiner Kindheit ist er begeisterter Bergsportler. Seinen ersten Trail-Lauf absolvierte er mit 12 Jahren.

Ich bin in den Bergen aufgewachsen, Sport war für mich immer schon ein Weg, um mit der Natur verbunden zu sein. Als ich mir des Widerspruchs zwischen dieser Verbundenheit und dem verantwortungslosen Verhalten der Textilindustrie bewusst wurde, die zur Umweltverschmutzung und globalen Erwärmung beiträgt, wollte ich eine Alternative anbieten. 

Für die Gründung von Revario nutzte der ETHL-Maschinenbauingenieur jede freie Minute zwischen einer 100%-Erwerbsarbeit und den Weekend-Trails. «Zum Glück hat meine Frau Verständnis», lächelt er.

Innovative Textilien

Der Anstoss kam 2019 mit dem Kauf eines relativ teuren Trail-Artikels einer Schweizer Marke. Michael Ingram war sehr enttäuscht zu erfahren, dass sich der Ausrüster nicht einmal die Mühe gemacht hatte, wenigstens in Europa zu produzieren, nachdem eine Produktion im Inland nicht möglich schien. Also schritt er zur Tat und lancierte sein Projekt: eine Marke, die seine Werte widerspiegelt und das repräsentiert, was er sich als Trail-Läufer wünscht. Eine Marke, die den Geist des Trails verkörpert: gegenseitiger Respekt, Liebe zur Natur, Authentizität und Hilfsbereitschaft. Seine unternehmerischen Grundwerte – lokal, ökologisch und nachhaltig – sind einfach, aber effektiv. Zunächst machte er sich auf die Suche nach Lieferanten von innovativen Textilien im Umkreis von maximal 600 km von Genf. Und stiess auf die Firma Aquafil und ihr Garn Econyl, das aus alten Fischernetzen aus der Adria hergestellt wird. Polyester ersetzte er durch gleichwertige Stoffe aus recycelten PET-Flaschen oder biologisch abbaubarem Material. Stolperte manchmal. Holte wieder Atem. 

Revario

Die ersten Rückmeldungen von Fachleuten zeigen, dass Revario auf dem richtigen Weg ist.

Um sich von der Konkurrenz abzuheben, muss die Qualität besser sein als bei konventionellen Anbietern. Das Argument der Nachhaltigkeit reicht nicht aus.

Eine zusätzliche Herausforderung war das «Swiss made». Die einst blühende Textil- und Bekleidungsindustrie und die entsprechenden Berufsgattungen in der Schweiz haben einen langen Niedergang hinter sich. Da die Bekleidungsindustrie lange Zeit fast vollständig ausgelagert war, ist es eine echte Herausforderung, in der Schweiz qualifizierte Arbeitskräfte zu finden, die grosse Produktionsvolumen bewältigen können.Nachforschungen und Beharrlichkeit brachten ihn in Kontakt mit dem Leiter der Caritas Genf, der das gleiche Ziel verfolgte: die Wiederbelebung des lokalen Schneider- und Nähhandwerks, das zu verschwinden drohte. Die erste (ausverkaufte) Kollektion wurde mit Hilfe des Vereins Genilem, der innovative Unternehmen in deren Startphase unterstützt, entwickelt, in den Werkstätten der Caritas in Genf genäht und im Rahmen eines Crowdfundings zur Fortsetzung des Projekts verkauft.

Für den Jungunternehmer ist dies bloss ein Etappensieg. Er möchte gewisse umweltschädliche Materialien komplett ersetzen und eine bunte Kollektion herausbringen, die ohne giftige Farbstoffe hergestellt wird. Aber die entscheidende Hürde scheint bewältigt zu sein:

Wir haben bewiesen, dass Nachhaltigkeit und Funktionalität Hand in Hand gehen können.

Übrigens: Revario benutzt rezyklierte Gleitschirme zur Verpackung seiner Produkte und bietet kostenlose Reparaturen während deren gesamte Lebensdauer an!

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Dieser Artikel von Olga Yurkina erschien ursprünglich im März 2021 in der Westschweizer Zeitung Le Temps.