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Drug Checking – Die Schweizer Antwort auf die Risiken des Drogenkonsums

Menschen sind für ihre Lebensweise und ihr Verhalten grundsätzlich selber verantwortlich. Auf dieser Überzeugung basiert die Nationale Strategie Sucht der Schweiz. An diesem Punkt setzt der innovative Schweizer Ansatz des Drug Checking an: Die Gesundheitskompetenz der Konsumierenden soll gefördert werden, indem sie über die Zusammensetzung der jeweiligen Substanz Bescheid wissen und die Risiken und Folgen ihres Konsums illegaler Substanzen kennen. Wenn auch der Drogenkonsum nicht in jedem Fall verhindert werden kann und sich Menschen trotz der Risiken für den Konsum entscheiden, so setzt Drug Checking doch alles daran, Risiken zumindest zu reduzieren und mögliche Schäden wie Überdosierungen zu vermeiden.

Aaron hat an einem Samstagabend Gäste zum Essen bei sich zu Hause eingeladen. Sie trinken gemeinsam Rotwein. Wie die meisten Menschen pflegen sie vermutlich einen risikoarmen Umgang mit Alkohol. Da sie Mass halten möchten, stoppen sie Ihren Konsum nach zwei Gläsern. Die Angaben auf der Weinflasche klären sie über die Inhaltsstoffe und insbesondere über den Alkoholgehalt auf, womit ihnen ein verantwortungsbewusster Umgang erleichtert wird.

Was nun aber, wenn sie die Konsummenge gar nicht abschätzen können? Wenn das Glas Wein plötzlich zehnmal so viel Alkohol enthält, als sie gedacht haben, ohne dass sie geruchlich oder geschmacklich einen Unterschied merken? Ihr Abend würde vermutlich auf der Intensivstation des nächsten Spitals enden. 

© Stephanie Rossol

Die Herausforderung: Illegaler Drogenkonsum

Personen, die illegale psychoaktive Substanzen konsumieren, sind genau mit dieser Situation konfrontiert: Sie können keinen verantwortungsbewussten Umgang mit diesen Substanzen pflegen, solange sie keine Erkenntnisse über die Zusammensetzung (Stärke, Streckmittel, Fehldeklarationen usw.) der Substanz haben, die sie konsumieren möchten. Dabei sind die meisten Menschen in der Lage, illegale psychoaktive Substanzen zu konsumieren, ohne eine Abhängigkeit zu entwickeln. Gemäss Zahlen des Büros der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) gilt dies für rund 90 % aller Personen, die illegale Substanzen konsumieren.

Um die Eigenverantwortung der Konsumierenden zu stärken, gibt es in der Schweiz sogenannte Drug-Checking-Angebote. Diese Angebote sind Teil der suchtpolitischen Säule der Schadensminderung und richten sich an Personen, die in ihrer Freizeit Drogen konsumieren. Drug Checking ist eine pragmatische Antwort auf die Tatsache, dass sich ein Teil der Bevölkerung trotz Verboten und Präventionsangeboten nicht vom Konsum dieser Substanzen abhalten lässt. Die Schadensminderung ist seit der Revision des schweizerischen Betäubungsmittelgesetzes im Jahr 2008 ein etablierter Bestandteil der Schweizer Suchtpolitik. Angebote und Massnahmen wie Drug Checking dürfen deshalb nicht isoliert betrachtet werden, sondern sind Teil einer Gesamtstrategie, die zum Ziel hat, Suchterkrankungen zu verhindern, abhängigen Menschen Hilfe und Behandlung zu bieten, gesundheitliche und soziale Schäden des Substanzkonsums zu vermindern und die negativen Auswirkungen auf die Gesellschaft zu verringern. Die Massnahmen und Angebote aus den im Betäubungsmittelgesetz verankerten Säulen Prävention, Therapie, Schadensminderung und Repression ergänzen sich dabei wechselseitig.

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Wie funktioniert Drug Checking?

Anna plant an einem Samstagabend gemeinsam mit Freundinnen an einer Party Ecstasy zu konsumieren. Weil sie möglichst risikoarm konsumieren möchte, geht sie am Dienstagabend ins Drogeninformationszentrum Zürich (DIZ), dem ambulanten Drug-Checking-Angebot der Stadt Zürich. Sie gibt eine Pille ab, die von einem spezialisierten externen Labor auf ihre Inhaltsstoffe analysiert wird. Auch in anderen Städten wie Basel, Bern oder Genf kann Anna von diesem Angebot Gebrauch machen. Je nach Veranstaltung hat sie auch die Möglichkeit, im Rahmen eines mobilen Drug Checkings Beratung und Analyse direkt an der Party in Anspruch zu nehmen. In einem obligatorischen Beratungsgespräch wird sie von spezialisierten Fachleuten über die Risiken und Gefahren des Konsums illegaler Substanzen aufgeklärt und über Strategien zur Risikominimierung informiert. Die Analyse der Substanz auf ihre Zusammensetzung (Inhaltsstoffe, Reinheitsgrad, Streckmittel usw.) ermöglicht den Fachleuten der Drug-Checking-Angebote eine faktenbasierte Beratung über potenzielle Schäden und Risiken des Konsums dieser Substanzen. Darüber hinaus bietet das Beratungsgespräch die Möglichkeit, problematisches Konsumverhalten frühzeitig zu erkennen, eine kritische Reflexion des eigenen Konsums anzuregen, eine Konsumstabilisierung oder  reduktion zu unterstützen sowie bei Bedarf eine Vernetzung mit weiterführenden Angeboten der Suchthilfe in die Wege zu leiten. Bei besonders bedenklichen Testresultaten wird zusätzlich über ein spezialisiertes Onlinetool eine Warnung publiziert, um breitere Kreise vor den Gefahren des Konsums der untersuchten Substanz zu warnen.

Drug Checking und Monitoring des illegalen Drogenmarktes

Nicht zuletzt trägt Drug Checking dazu bei, Trends und Dynamiken des Drogenmarktes und des Konsums von illegalen Substanzen besser zu verstehen sowie das Aufkommen neuer psychoaktiver Substanzen (NPS) frühzeitig zu erkennen. In der Schweiz werden pro Jahr rund 4000 Proben analysiert. Am häufigsten werden dabei die Substanzen Kokain, MDMA/Ecstasy und Amphetamin getestet. Die Resultate daraus und aus den standardisierten Befragungen der Angebotsnutzerinnen bieten für verschiedene Interessengruppen wie Suchtfachleute, die Polizei oder auch die Öffentlichkeit wichtige Erkenntnisse über den illegalen Drogenmarkt und die Konsumrealitäten von Freizeitdrogenkonsumierenden.

Key facts/figures

  • 4 Drug-Checking-Angebote in der Schweiz (Basel, Bern, Genf, Zürich)
  • Rund 4'000 getestete Substanzen pro Jahr
  • 25.3 Jahre (Durchschnittsalter der KlientInnen), 70% Männer
  • 1600 öffentlich publizierte Warnungen seit 2012
  • 165.5 mg. betrug der durchschnittliche MDMA-Gehalt der getesteten Ecstasy Pillen in Zürich. Für eine 60 Kg. schwere Frau mehr als das Doppelte der maximalen Dosis!