Amaury Guichon

Amaury Guichon, Chocolatier und Social-Media-Star

In der Schule galt er als «Taugenichts», doch Amaury Guichon liess sich nicht unterkriegen. Heute ist der 32-Jährige der angesagteste Chocolatier der Welt und verfügt über eine eigene Patisserie-Akademie und 50 Millionen Follower in den sozialen Medien. Porträt eines resilienten Unternehmers.

Toblerone zum Zvieri 

Wann der in der Haute-Savoie aufgewachsene Amaury Guichon zum ersten Mal Schokolade ass, kann er nicht mehr genau sagen. Nie hätte er gedacht, dass aus ihm eines Tages ein berühmter Patissier werden würde. In die Schule ging er nicht gerne. «Ich komme aus bescheidenen Verhältnissen. Meine Familie hat mich Werte wie harte Arbeit und Aufopferung gelehrt. Meine Mutter, die Schweizerin ist, gab mir manchmal Toblerone zum Zvieri», erzählt der französisch-schweizerische Doppelbürger. In der Schule wurde er von den Lehrpersonen regelmässig als «Loser» bezeichnet. Mit 14 Jahren entschied er sich gegen eine höhere Schule und begann eine Lehre als Koch in Thonon-les-Bains. Dort entdeckte er seine Liebe zu Zucker- und Backwaren. Er wechselte nach Genf und spezialisierte sich als Chocolatier, Eiskonditor und Confiseur. In der Calvinstadt lernte er auch die Geheimnisse der lokalen Klassiker wie der aus Schokolade geformten «Marmite de l’Escalade» kennen. «Ich stand jeden Morgen zwischen 3 und 4 Uhr auf. Die Arbeitstage waren lang für einen 16-Jährigen, aber ich erfuhr zum ersten Mal in meinem Leben Anerkennung. Nachdem ich von meinen Lehrern immer gehört hatte, dass ich nichts taugte, war ich selbst davon überzeugt. Das blieb auch während meiner Ausbildung in Genf so. Aber ich fehlte nicht einen einzigen Tag und machte bei möglichst vielen Wettbewerben mit, um noch besser zu werden.» Die harte Arbeit zahlte sich aus. Kaum hatte er sein Schweizer Diplom in der Tasche, heuerte ihn die berühmte Patisserie Lenôtre in Paris an, wo er das Handwerk weiter perfektionierte.

Amaury Guichon dinosaure

Erkenntnis in Frankreich

«Trotz des guten Rufs von Lenôtre hatte ich keine grosse Lust, meine Ausbildung weiter zu verlängern», gesteht Amaury Guichon. Bei Lenôtre lernte er die Feinheiten der klassischen Patisserie kennen. Das Know-how, das er sich in Frankreich aneignete, kam ihm bei seiner weiteren Karriere zugute. «Gastronomie- und Handwerkberufe galten damals nicht viel. Dank der engagierten Menschen, die ich bei Lenôtre kennenlernte, gewann mein Beruf wieder etwas von seinem traditionellen Prestige zurück. Das hat mir geholfen, den Weg, den ich gewählt hatte, besser zu akzeptieren. Heute sind die Gastronomieberufe viel angesagter, hauptsächlich dank Fernsehen, Internet und sozialen Medien. Für meinen persönlichen Erfolg war die Kombination meines schweizerischen und französischen Know-how entscheidend.» 2013 überredete ein Lehrling Amaury Guichon, an der Castingshow für die Sendung «Qui sera le prochain grand pâtissier?» im französischen Fernsehen teilzunehmen. Dabei wurde er Dritter von zehn Bewerberinnen und Bewerbern. «Ich hatte grosse Vorbehalte, denn in Frankreich sind wir sehr kritisch. Man macht sich lächerlich über das, was im Fernsehen läuft, und ich hatte Angst, dass die Show meinem Ruf als Patissier schaden könnte. Was mir schliesslich am meisten Spass machte, waren die Begegnungen mit anderen jungen Leuten, die denselben Weg eingeschlagen hatten wie ich. Ich war 22 und drei Monate später ging ich in die USA, um Englisch zu lernen. Geplant war ein Jahr, aber ich bin immer noch hier!» 

 

Amaury Guichon Clocks

 

Amerikanischer Traum  

Amaury Guichon fand Arbeit als Patissier in Las Vegas. Die anderen Angestellten waren älter, sprachen kein Französisch und machten die Dinge anders als er. Doch er fand sich rasch zurecht und begann, seine Kreationen in den sozialen Netzwerken zu veröffentlichen, wo er auf Anhieb Erfolg hatte. Später machte er sich selbständig und gründete 2019 seine Pastry Academy. «Patisserie ist etwas relativ Neues in den USA, und es gibt nur wenige Orte, wo man das Handwerk lernen kann. Zuerst unterrichtete ich an privaten Einrichtungen. Erst als ich eine Million Follower hatte, brachte ich genügend Geld zusammen, um meine eigene Schule zu eröffnen.»

 

@amauryguichon Chocolate Velociraptor! 🦖 This 100% Chocolate sculpture is my biggest one yet, weighing 550lbs and stands 8ft tall. #amauryguichon #chocolate #raptor ♬ Flow - Jeff Kaale

 

 

Zusammen mit dem belgischen Patissier Michel Ernots bietet Amaury Guichon einen zehnwöchigen theoretischen und praktischen Kurs an. «Ich arbeite von Montag bis Freitag in meinem Atelier, und am Wochenende schneide ich meine Videos für die sozialen Medien. Ich habe seit drei Jahren keine Ferien mehr gemacht. Trotzdem habe ich das Gefühl, genau das Richtige zu tun.» Zu seinen Kreationen gehören ein Tischfussball, ein Kinder-Rennauto und zahlreiche Tierskulpturen, darunter ein Velociraptor und eine Giraffe. «Zuerst mache ich immer eine Skizze, damit ich eine Vorstellung von der Grösse des Werks bekomme. Meine Inspirationen kommen von Menschen. Ich notiere meine Ideen auf einer Liste, und sobald eine reif ist, mache ich mich an die Arbeit. Meine letzte Kreation ist ein 250 kg schwerer und über 2 m hoher Velociraptor aus Schokolade. Ich brauchte fast sechs Stunden, nur um ihn zusammenzusetzen», erzählt Amaury Guichon stolz. Die Skulpturen sind nicht zum Essen bestimmt, sondern werden in seiner Schule ausgestellt. Vor Licht und Feuchtigkeit geschützt ist Schokolade 15 Jahre haltbar. «Das Grundgerüst besteht aus dunkler Schokolade. Die skulpturalen Elemente sind aus Milchschokolade, die weicher und damit leichter zu bearbeiten ist. In den USA ist die visuelle Ästhetik sehr wichtig. In Europa steht dagegen der Geschmack der Patisserie im Vordergrund. Ich setze alles daran, sowohl ästhetisch als auch geschmacklich überzeugende Werke zu kreieren. Der Erfolg scheint mir Recht zu geben. Ich denke, dass Amerika der richtige Ort für meine Karriere war. Meine nächstes Ziel? Ich möchte, dass das Publikum meine Kreationen probieren kann. Das braucht aber noch etwas Zeit, denn ich muss zuerst den richtigen Weg finden, um diese Herausforderung zu lösen.» 

 

Amaury Guichon Heart

 

Die Schweiz im Hinterkopf 

Mit über 50 Millionen Followern in den verschiedenen sozialen Netzwerken ist Amaury Guichon heute der meistbeachtete Chocolatier der Welt. «Das bedeutet mir am meisten. Wenn man mir früher gesagt hätte, dass ich mit meiner Arbeit eines Tages so viele Menschen erfreuen und inspirieren würde, hätte ich es nicht geglaubt. Ich bin stolz darauf, dass ich zum globalen Sprecher für unseren schönen Beruf gewählt wurde und dafür Werbung machen kann. Bis vor Kurzem verdiente ich nicht viel Geld damit. Ich bin Risiken eingegangen, habe hart gearbeitet, ohne die Stunden zu zählen, und nun kann ich die Früchte meines Engagements ernten. Dank meiner Bekanntheit habe ich mehr berufliche Möglichkeiten. Ich bin dreimal um die Welt gereist. Das hat mir geholfen, die Ketten zu sprengen, die mich in meiner Kreativität behinderten. Es gab immer wieder Rückschläge, aber ich habe auch viele bescheidene und grosszügige Menschen kennengelernt, die mich sehr inspirierten. All dies wäre nicht möglich gewesen ohne die Menschen, die mir folgen und mich unterstützen.» Heute kehrt Amaury Guichon nur beruflich in die Schweiz zurück. «Ich schätze die Ruhe, den Respekt, die Disziplin und die Sauberkeit in der Schweiz. Langfristig kann ich mir schon vorstellen, hier zu leben», meint der Unternehmer. Von den kulinarischen Spezialitäten schätzt der Patissier in der Schweiz Fondue, Raclette und Spätzli. Die beste Schokolade stammt seiner Meinung nach übrigens aus seinen zwei Heimatländern. «Frankreich liegt an erster Stelle, was dunkle Schokolade anbelangt. Die Schweiz macht dagegen die beste Milchschokolade, weil die hiesigen Milchprodukte so gut sind.» Machen wir den Test?

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@amauryguichon Chocolate Crocodile! 🐊Fun result of my 4 days Masterclass!! Crocodile or Alligator? #amauryguichon #chocolate #crocodile #alligator ♬ Limitless - Sol Rising