Sie bergen Tiere, Bakterien und Pilze und sind die Grundlage von 90% unserer Nahrungsmittel: Die Funktionen der Böden sind für das Ökosystem unersetzlich. © Agroscope, Gabriela Brändle

Schweizer Böden: Schätze, die es zu bewahren gilt

Unbeweglich und doch voller Leben, ökologisch unersetzlich und gleichzeitig verletzlich: Als natürliche Ressource von unschätzbarem Wert für das Ökosystem stehen die Schweizer Böden im Mittelpunkt gemeinsamer Initiativen von Agroscope und der Nationalen Bodenbeobachtung (NABO).

Bodentiere, Bakterien und Pilze: eine ganze Welt lebt verborgen unter unseren Füssen. Die Schweizer Böden sind eine lebenswichtige Ressource für die Landwirtschaft und das Ökosystem, sie sind jedoch angewiesen auf ein fragiles Gleichgewicht zwischen Mineralien, Luft, Wasser und Lebewesen. Die NABO untersucht seit 30 Jahren die Qualität unserer Böden – mit dem Ziel, diese Schätze der Natur zu schützen und zu bewahren.

Ein gesunder Boden ist auf ein fragiles Gleichgewicht zwischen Mineralien, Luft, Wasser und Lebewesen angewiesen. © Agroscope, Gabriela Brändle

Lebendige Böden

Das Gras wachsen hören? Sounding Soil, ein künstlerisch-wissenschaftliches Projekt mit Beteiligung von Agroscope, verspricht genau das! Die für die Öffentlichkeit zugängliche Installation besteht aus einem Schiffscontainer, der mit einem Audiosystem ausgestattet ist. Ein Augenblick reicht, um einzutauchen in die Bodenwelt, in die Geräusche der Tiere und das Knirschen der Wurzeln. Über einen Touch-Screen wählen die Besucherinnen und Besucher Tonaufnahmen von Böden aus verschiedensten Ecken der Schweiz. Diese Aufnahmen enthüllen eine sehr unterschiedliche Tonwelt, je nach Standort des Bodens: vom konventionell angebauten Weizenfeld über den Nadelwald bis zur artenreichen Magerwiese.

Das Ziel von «Sounding Soil» ist es, Bodentieren wie Regenwürmern «eine Stimme zu geben». © Agroscope, Gabriela Brändle
Das Ziel von «Sounding Soil» ist es, Bodentieren wie Regenwürmern «eine Stimme zu geben». © Agroscope, Gabriela Brändle

 

Der Boden «spricht», weil er lebt. Unter unseren Füssen regen sich unermüdlich Milben, Springschwänze und Regenwürmer. Diese Bodentiere erzeugen Geräusche, wenn sie fressen, sich fortbewegen oder mit Artgenossen über Vibrationen kommunizieren. Ihre Vielfalt zeugt von der intakten Gesundheit des Bodens, genau wie Bakterien, Pilze und Pflanzen. Indem die Initiative «Sounding Soil» den Untergrund sprechen lässt, erinnert sie uns daran, dass der Boden, auf dem wir gehen, lebt und wir ihm Sorge tragen müssen.

«Sounding Soil» besteht aus einem Schiffscontainer mit einem Audiosystem. Im Inneren können die Besucherinnen und Besucher den Boden «sprechen» hören. © Biovision
«Sounding Soil» besteht aus einem Schiffscontainer mit einem Audiosystem. Im Inneren können die Besucherinnen und Besucher den Boden «sprechen» hören. © Biovision

Unersetzlich aber verletzlich

Der Erdboden ist die Grundlage von 90% unserer Nahrungsmittel und etwa ein Drittel unserer Landesfläche wird für die landwirtschaftliche Produktion von Lebensmitteln genutzt.

Boden ist die Grundlage für 90% unserer Nahrungsmittel. © Agroscope, Gabriela Brändle
Boden ist die Grundlage für 90% unserer Nahrungsmittel. © Agroscope, Gabriela Brändle

 

Die Fruchtbarkeit dieser lebenswichtigen Ressource bleibt nur erhalten, wenn wir sie nachhaltig bewirtschaften. Deshalb verfolgt und dokumentiert das NABO-Team seit 1985 die Entwicklung der Bodenqualität im Laufe der Jahre. An insgesamt 111 Standorten in der ganzen Schweiz wird der Boden von landwirtschaftlichen Kulturen und Wiesen, aber auch von Wäldern, regelmässig sondiert. Nach der Analyse werden die Bodenproben getrocknet, gesiebt und im Archiv der NABO in Reckenholz (ZH) eingelagert.

In jeder vom NABO-Team beobachteten Parzelle werden alle fünf Jahre Bodenproben entnommen. © Agroscope, Gabriela Brändle
In jeder vom NABO-Team beobachteten Parzelle werden alle fünf Jahre Bodenproben entnommen. © Agroscope, Gabriela Brändle

 

«Diese Sammlung ist das Gedächtnis der Böden unseres Landes», erklärt Reto Giulio Meuli, Leiter der NABO. Solche Archive sind in Europa selten und sehr wertvoll. Sie geben den Forschenden bei Agroscope die Möglichkeit, die Entwicklung der biologischen, chemischen und physikalischen Zusammensetzung unserer Böden über einen längeren Zeitraum zu verfolgen. Zur Zeit wird von der NABO namentlich der Gehalt des Bodens an bestimmten Schadstoffen, Nährstoffen und Kohlenstoff untersucht. In Zukunft sollen Messungen von Pestizidrückständen im Boden neue Informationen über diese noch unzureichend untersuchten Substanzen liefern.

Das Bodenarchiv der NABO in Reckenholz (ZH) ist das Gedächtnis der Böden unseres Landes. © Agroscope
Das Bodenarchiv der NABO in Reckenholz (ZH) ist das Gedächtnis der Böden unseres Landes. © Agroscope

Verborgene Welt

Boden besteht aus mineralischen Materialien, aber auch aus Luft, Wasser und lebenden Organismen. Wenn diesen Elemente im Gleichgewicht sind, kann der Boden Regenwasser aufnehmen, Nährstoffe produzieren und sich regenerieren. Das NABO-Team analysiert auch die Dichte von Bodenproben und kann so Parzellen erkennen, die von einer Bodenverdichtung betroffen sind, beispielsweise durch Pflügen oder eine andere mechanische Bodenbearbeitung. Dank dieser Daten können Massnahmen zum Schutz der komplexen und empfindlichen Struktur unserer Böden getroffen werden.

Was wäre der schlafende Riese unter unseren Füssen ohne die zahllosen winzigen, von blossem Auge unsichtbaren Organismen? So klein diese Mikroorganismen sind, so gross ist ihre Bedeutung für das Ökosystem: Sie sammeln und verwerten Biomasse zu Nährstoffen, die für das Pflanzenwachstum unverzichtbar sind, halten Krankheitserreger in Schach und reinigen das Grundwasser. In den Laboratorien von Agroscope werden die in den Bodenproben enthaltenen Bakterien und Pilze über DNA-Fragmente bestimmt und quantifiziert. Mit diesen Daten und weiteren Indikatoren (Klima, chemische und physikalische Zusammensetzung des Bodens, Anbaumethoden) zeichnen die Forschenden der NABO die Entwicklung der Mikroorganismen-Gemeinschaften nach, die für die einzelnen Standorte charakteristisch sind – ein weiterer Beitrag dazu, Licht in die noch ungelösten Rätsel dieser verborgenen Welt zu bringen…