18 CO2-Kollektoren ragen über das Dach der Kehrichtverbrennungsanlage Hinwil (ZH) hinaus. Seit ihrer Installation im Jahr 2017 haben sie 900 Tonnen CO2 aus der Luft gefiltert, was den Emissionen von rund 30 Haushalten entspricht.

Climeworks: eine Technologie zur Bekämpfung des Klimawandels

Das 2009 gegründete Schweizer Unternehmen Climeworks hat eine Technologie entwickelt, um Kohlendioxid aus der Umgebungsluft zu filtern. Das Verfahren namens Direct Air Capture hat sich bereits in mehreren Bereichen bewährt. Climeworks will eine Milliarde Menschen dazu inspirieren, CO2 aus der Luft zu holen.

Weltweit setzen sich Menschen für die Rettung des Planeten ein. Müssen wir da noch Kohlendioxid (CO2) aus der Luft filtern, um die Erderwärmung zu stoppen? Der Bericht der Zwischenstaatlichen Sachverständigengruppe über Klimaänderungen (IPCC) vom 8. Oktober 2018 sagt es klar und deutlich: Alle Szenarien zur Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5°C setzen eine CO2-Absorption in gigantischen Mengen voraus. Konkret zwischen 100 und 1000 Milliarden Tonnen bis 2100, was dem Zwei- bis Zwanzigfachen der derzeitigen weltweiten Treibhausgasemissionen pro Jahr entspricht.

Die Kollektoren auf dem Dach der Kehrichtverbrennungsanlage Hinwil (ZH) saugen das Kohlendioxid aus der Atmosphäre. Einmal gefiltert wird das Gas in ein nahes Gewächshaus geleitet. Durch die höhere Konzentration an Kohlendioxid wächst das Gemüse 20% schneller.

Zauberwort «Negativemissionen»

Das Entziehen von CO2 aus der Luft bezeichnen die Wissenschaftler als negative Emissionen. Theoretisch gibt es dafür mehrere Möglichkeiten. Die einfachste ist das Aufforsten. Bäume sind natürliche CO2-Senken. Sie absorbieren das Gas durch Photosynthese und speichern es in Stämmen, Ästen, Wurzeln und im Boden.  Weltweit steht jedoch nicht genug Landfläche zur Verfügung, um 100 bis 1000 Gigatonnen CO2 allein über Bäume aus der Luft zu filtern. Zudem kann so nicht immer garantiert werden, dass das CO2 dauerhaft und messbar aus der Atmosphäre entfernt wird: Waldbrände oder Rodungen können zur Zerstörung von Bäumen führen und das gespeicherte CO2 wieder freisetzen. Eine zweite Möglichkeit basiert auf der Bioenergie. Bei dieser Methode werden schnellwachsende Gehölze angepflanzt. Auch hier wären bis 2050 über 700 Millionen Hektar nötig, was unrealistisch ist.

Eine dritte Möglichkeit, die an Bedeutung gewinnt, ist die Direct-Air-Capture-Technologie, bei der CO2 direkt aus der Luft abgeschieden und im Untergrund eingelagert wird. Auf diesem Gebiet sind mehrere Unternehmen aktiv, darunter die Schweizer Firma Climeworks. Sie hat Maschinen entwickelt, die Kohlendioxid aus der Umgebungsluft filtern, das dann unter die Erdoberfläche gepumpt wird. Climeworks will eine Milliarde Menschen dazu inspirieren, CO2 aus der Luft zu holen. Hinter der durchaus ernst zu nehmenden Lösung stehen Christoph Gebald und Jan Wurzbacher, zwei Ingenieure der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETHZ).

3.	Christoph Gebald and Jan Wurzbacher are engineers from ETH Zurich. Together they have developed a kind of giant vacuum cleaner to filter ambient air and trap CO2 before injecting it underground.
Die ETH-Ingenieure Christoph Gebald und Jan Wurzbacher haben eine Technologie namens Direct Air Capture entwickelt, mit der CO2 aus der Umgebungsluft abgeschieden und eingelagert werden kann.
Foto: Julia Dunlop

CO2-Abscheidung dank Climeworks Wirklichkeit

In Island kommt die Technologie bereits zum Einsatz. Im Jahr 2017 errichtete Climeworks eine Anlage, die die Direct-Air-Capture-Technologie mit einer sicheren und dauerhaften unterirdischen Lagerung kombiniert. Die Methode dafür wurde vom Partner Carbfix entwickelt. Das abgeschiedene CO2 reagiert mit dem Basalt und wird durch natürliche Mineralisierung innerhalb weniger Jahre zu Stein. 2019 lancierte Climeworks ein monatliches CO2-Beseitigungsabo und machte die Lösung damit allen zugänglich: Im Namen der Abonnentinnen und Abonnenten eliminiert Climeworks Kohlendioxid aus der Luft.
Das Interesse an Lösungen zur CO2-Abscheidung nimmt laufend zu. Climeworks hat mehrere Unternehmenskunden gewonnen, beispielsweise Stripe und Shopify. Unternehmen spielen eine wichtige Rolle beim Aufbau eines Markts für die Kohlendioxidabscheidung und die Skalierung bestehender Lösungen wie Direct Air Capture.

2020 geht Climeworks noch einen Schritt weiter: In Island entsteht eine neue, viel grössere Anlage namens Orca. Sie soll jedes Jahr 4000 Tonnen Kohlendioxid dauerhaft und sicher aus der Luft filtern. Orca ist die bisher grösste klimapositive Anlage im Bereich Direct Air Capture.  

 Orca
Climeworks’ isländische Anlage Orca zur CO2-Abscheidung. © Climeworks

Weitere Anwendungsmöglichkeiten der Technologie

Das Kohlendioxid, das Climeworks aus der Luft abscheidet und sicher und dauerhaft lagert, kann auch für klimafreundliche Produkte wie klimaneutrale Treibstoffe und Materialien verwendet werden. Climeworks ist an verschiedenen Projekten und Partnerschaften in diesem Bereich beteiligt. So wurde das Unternehmen 2020 Teil des neuen europäischen Konsortiums Norsk e-Fuel, das sich für unbegrenzt erneuerbare Treibstoffe einsetzt. Angesichts des Handlungsbedarfs in Sachen Klimaschutz blicken die beiden Climeworks-Gründer zuversichtlich in die unternehmerische Zukunft. Ihre Lösungen gelangen bereits heute in sehr unterschiedlichen Bereichen zur Anwendung.

Auf dem Weg zur Demokratisierung

Aufgrund der erfolgreichen Anwendung dieser Technologie sind mehrere Investoren auf Climeworks aufmerksam geworden. Das Vertrauen in die Technologie ist gross: 2020 holte sich Climeworks 100 Millionen Franken von privaten Investoren. Das ist die bisher grösste Investition in die Direct-Air-Capture-Technologie. Mit den frischen Mitteln kann das Unternehmen seine Technologie weiter skalieren und optimieren und sie anderen Interessengruppen – Menschen, Firmen und Organisationen – zugänglich machen. Climeworks verfügt über einen detaillierten Skalierungsplan und ein längerfristiges Kostenziel von 100 US-Dollar pro Tonne CO2.

Anlage in Island
Im Jahr 2017 nahm Climeworks eine Anlage in Island in Betrieb. Hier wird das CO2 durch rasche unterirdische Mineralisierung sicher und dauerhaft gespeichert. Die Methode dazu wurde von Carbfix entwickelt.
Foto: Zev Starr-Tambor