Paul Klee: Insula ducamara, 1938, Zentrum Paul Klee, Bern

Paul Klees Bild-Universum und die Berner Materie

Traumwelten, Bildmagie – Paul Klee ist ein Maler von Weltrang, einer der bedeutendsten Künstler des 20. Jahrhunderts. Er war Mitglied der Gruppe «Der Blaue Reiter» und später Meister am Bauhaus in Weimar und Dessau. Zeitlebens deutscher Staatsbürger, verbrachte er mehr als die Hälfte seiner Lebensjahre in Bern. Deswegen wird er immer wieder als Schweizer Künstler eingeordnet. Doch das stimmt nicht ganz.

Engel und Maschinen, leuchtende Städte und fliegende Fische, rätselhafte Gesichter und Artisten-Körper: Paul Klee hat sich in unser kollektives Gedächtnis eingeschrieben, unauslöschbar. Seine Kunst, eine einmalige Verschmelzung von Abstraktem und Figürlichem, macht geistige Welten sichtbar.

Paul Klee, München, 1911, Fotograf Alexander Eliasberg Zentrum Paul Klee, Bern, Schenkung Familie Klee

Klees Kosmos

Paul Klee's Gesamtwerk ist nicht mehr und nicht weniger als eine Enzyklopädie in Bildern «zu allen Schönheiten und Schrecken unserer Welt, zu ihren Ängsten, Hoffnungen und Sehnsüchten, zu Leben und Sterben, zu all den ersten und letzten Dingen», schreiben der Kurator Dieter Scholz und die Kunsthistorikerin Christina Thomson.
In der Nachkriegszeit erlebten Klee-Motive einen wahren Boom, vor allem auf Ansichtskarten und Kalenderblättern – poetisch, heiter, verspielt. Klee auf diese Eigenschaften zu reduzieren ist aber ein grosses Missverständnis, denn seine Kunst hat immer und mindestens einen doppelten Boden:

(…) wer alle Symbole Klees zu lesen verstünde, der würde unter der rein ästhetisch so ungemein genussvollen Oberfläche dieser Bilder das ganze Grauen unserer verfallenden Zeit zutage treten sehen,

so formulierte es Georg Schmidt, Direktor des Kunstmuseums Basel, schon 1935.

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Paul Klee: Senecio (Baldgreis), 1922, Kunstmuseum Basel

 

Berner Motive: Steinbruch und Flusslandschaft

Geboren wurde Paul Klee am 18. Dezember 1879 in Münchenbuchsee. Seine Mutter war eine Schweizer Sängerin, sein Vater ein Musiklehrer aus Deutschland. Kindheit und Jugend verbrachte Klee in Bern, als erst mittelmässiger, dann miserabler Schüler, aber begabter Violinist. Lange war für ihn nicht klar, ob er die Musik oder die Malerei zum Beruf machen wollte. In seinen frühen Skizzenbüchern hielt er die Aare-Auenlandschaften fest, auch den Zytgloggeturm, das Münster und verschiedene Ansichten des Mattequartiers. Schon damals experimentiert er mit Verzerrung und Verfremdung.

Bild Bern 1910
Paul Klee: Bern, 1910, Zentrum Paul Klee, Bern.

Kunsthauptstadt München

Doch in der Bundeshauptstadt bleiben konnte und wollte er nicht.  «Bücherwurm und Schulmeister kann ich in Bern ganz gut werden, Künstler aber in Gottesnamen nicht», schrieb der Neunzehnjährige an den Vater. So tauschte Klee die Provinz gegen eine Weltstadt der Kunst ein: München. Dort absolvierte er seine Ausbildung, dort kam er in Kontakt mit der Gruppierung «Der Blaue Reiter», mit August Macke, Franz Marc und Wassily Kandinsky, dort lernt er die Pianistin Lily Stumpf kennen und lieben. Das Paar heiratete 1906, 1907 wurde der Sohn Felix geboren. Die Rollenverteilung war für damalige Zeiten höchst ungewöhnlich: Lily verdiente den Lebensunterhalt als Pianistin und Klavierlehrerin, Klee kümmerte sich um Kind und Haushalt und richtete sich so gut es eben ging ein Atelier ein: in der Küche!

Bild Villa R
Paul Klee: Villa R (1919) Kunstmuseum Basel

Ruhm und Exil

Zum künstlerischen Wendepunkt wurde Klees Tunesien-Fahrt 1914, die er zusammen mit August Macke und Louis Moilliet unternahm.  Am Ende der Reise hatte er erstmals das Gefühl, die Farbpalette in ihrer ganzen Fülle zu beherrschen: «Ich bin Maler».  Unmittelbar danach brach der Erste Weltkrieg aus. August Macke und Franz Marc fallen an der Front. Auch Klee wird einberufen, entgeht aber dem Schicksal seiner Freunde.
Die Zwanziger Jahre brachten endlich den Durchbruch, auch gesellschaftlich:  Klee wurde als Meister an das Bauhaus in Weimar berufen, später nach Dessau. Dort lebte er mit Kandinsky als Nachbar in einem der wunderbaren Meisterhäuser. 1931 folgte der Ruf nach Düsseldorf an die Kunst-Akademie. Doch nach dieser kurzen Erfolgsphase war Klees Zeit in Deutschland abgelaufen. In der nationalsozialistischen Wanderausstellung «Entartete Kunst» zählte Klee zu jenen Künstlern, die als geisteskrank eingestuft wurden, und man entzog ihm die Lehrbefugnis. Zusammen mit Lily entschied er sich für die Emigration in die Schweiz.

Paul und Lily Klee auf dem Balkom ihrer Wohnung
Paul und Lily Klee auf dem Balkon ihrer Wohnung, Kistlerweg 6, Bern, 1935. Fotograf: Fee Meisel, Archiv Bürgi im Zentrum Paul Klee, Bern.

Das letzte Atelier

Im Berner Elfenauquartier am Kistlerweg 6 im Wohnzimmer der kleinen, aber hellen Dreizimmerwohnung entstand das berühmte Spätwerk, an die 3’000 Bilder.  An den erhaltenen Malutensilien und an den Gemälden selbst kann man Klees revolutionäre Techniken ablesen: Er übermalte und zerschnitt seine Bilder, baute sie aus vielen Schichten auf, spachtelte und schabte – und war sich nicht zu schade, bei den Bauern in der Umgebung leere Kartoffelsäcke als Bildträger abzuholen.

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Paul Klee in seinem Atelier, Kistlerweg 6, Bern, 1938. Fotograf: Felix Klee. Zentrum Paul Klee, Bern, Schenkung Familie Klee.

 

Man kann sie nur bewundern, diese ungeheure Schaffenskraft, noch dazu unter doppelt schwierigen Bedingungen: Als vertriebener, verfemter Künstler einerseits. Und als todkranker Mann andererseits. Klees leises, langes Leiden beginnt 1935. Die sehr seltene Autoimmunkrankheit Sklerodermie macht seine letzten Jahre zur Hölle. Den Alltag bewältigt er klaglos und tapfer, obwohl er am Ende aufgrund einer verengten Speiseröhre nur noch breiartige Speisen zu sich nehmen kann und rasch Atemnot bekommt: Den kurzen Anstieg zu seiner Wohnung nannte er «sein Matterhorn».

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Paul Klee: Das Auge, 1938, Privatbesitz Schweiz, Depositum im Zentrum Paul Klee, Bern.

 

Am 29. Juni 1940 starb Paul Klee während eines Kuraufenthalts in Locarno. Mehr als die Hälfte seines Lebens hat er in der Schweiz verbracht – insgesamt 33 Jahre. Er wurde aber als Ausländer in der Schweiz geboren und starb ebenda als Ausländer, trotz mehrfacher Versuche, den Schweizer Pass zu erlangen. Noch einen Tag vor seinem Tod bemühte sich Klee um das Schweizer Bürgerrecht und diktierte vom Krankenbett aus einen Brief an die Berner Einbürgerungsbehörde. Einige Tage später hätte er das ersehnte Dokument vermutlich erhalten.

Ein umso grösseres Geschenk, dass die weltweit grösste Klee-Sammlung heute in Bern betreut werden kann, im von Renzo Piano erbauten und 2005 eröffneten Zentrum Paul Klee. Zu verdanken ist das vier Berner Sammlern und Klees Sohn Felix, die sich um den Nachlass gekümmert haben.

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Das Zentrum Paul Klee beherbergt über 4000 Werke des Künstlers, wovon immer etwa 250 in wechselnden Ausstellungen zu sehen sind.

 

Klees letzte Ruhestätte auf dem Schlosshalden-Friedhof liegt in unmittelbarer Nähe. Die Inschrift auf der Grabplatte (die Zeilen hat Klee 1920 notiert) sprechen mit grosser Selbstverständlichkeit von anderen Welten, wie sie in so unvergleichlicher Weise auch in Klees Kunst zu finden sind:

Diesseitig bin ich gar nicht fassbar. Denn ich wohne grad so gut bei den Toten, wie bei den Ungeborenen. Etwas näher dem Herzen der Schöpfung als üblich. Und noch lange nicht nahe genug.

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Klees Familiengrab mit Bronzetafel auf dem Schlosshaldenfriedhof, Bern. Hier haben auch Klees Frau Lily und sein Sohn Felix ihre letzte Ruhe gefunden.