Avengers © Keystone

Fünf Schweizer Supertalente im Marvel-Universum

Was wären die Superhelden von Stan Lee ohne die Schweiz? Zum Blockbuster «Avengers: Endgame», der 2019 in die Kinos kam, haben zahlreiche Schweizer Talente beigetragen, und auch sonst scheinen die Superhelden in den hautengen Anzügen einen besonderen Bezug zu unserem Land zu haben.

Was hat es mit den Gemeinsamkeiten von Marvel und der Eidgenossenschaft auf sich? Tatsächlich scheinen etliche Superhelden in der Schweiz einen Zwischenstopp eingelegt zu haben.
Eingefleischte Fans erinnern sich wahrscheinlich, dass in der ersten Ausgabe von «Captain America» Howard Stark, der Vater von Tony, als er während des Zweiten Weltkriegs ein Flugzeug über die Schweiz steuerte, dem Supersoldaten vorschlug, in Luzern eine Zwischenlandung für ein Fondue einzulegen. «Iron Man 3» beginnt mit einer Aussenaufnahme des Bundeshauses in Bern, wo Tony Stark nach einem Vortrag angeheitert Silvester feiert. Und in der Serie «Agents of S.H.I.E.L.D.» lässt sich eine der Hauptfiguren in Zürich medizinisch behandeln.

Marvel ©Unsplash@cmreflections

Telegene Klischees

Die Aufzählung könnte man noch lange weiterführen. «Die Schweiz hat auf Marvel schon immer eine grosse Faszination ausgeübt», sagt Luc Grandsimon, Comic-Experte bei FNAC in Lausanne. «Das amerikanische Publikum will nichts Kompliziertes, und mit der Schweiz können die Drehbuchautoren leicht bekannte Klischees assoziieren: Berge, Fondue, Genf und die internationalen Konventionen, Neutralität usw.» Solche Anspielungen auf unser Land findet man vor allem in den gezeichneten Original-Comics. «Man muss wissen, dass Marvel Studios bei jedem Filmprojekt sämtliche Details des Drehbuchs von Mitarbeitenden, die das Marvel-Universum in und auswendig kennen, prüfen lässt, um den richtigen Bezug zum entsprechenden Comic herzustellen», erklärt Marc Atallah, Direktor des Museums Maison d’Ailleurs in Yverdon. Wenn eine bestimmte Szene in einem Comic in Zürich spielt, muss sie auch im Film in Zürich spielen. Sonst beklagen sich die Fans, dass etwas nicht stimmt.» Laut Comic lebte zum Beispiel Scarlet Witch, die im Film von Elizabeth Olsen gespielt wird, eine Zeit lang in einem Chalet in den Schweizer Alpen. Oder man erfährt, dass sich in einem Schloss in der Jungfrauregion ein Gelehrter etwas zu sehr für Gammastrahlen interessierte und schliesslich von Hulk niedergestreckt wurde.
Was die Wenigsten wissen, ist jedoch, dass hinter diesen Superhelden Schweizer Supertalente stecken.

«Avengers: Endgame» und die fünf Schweizer Superhelden

  • 1. Supertalent: Lara Lom

Die junge VFX-Producerin ist Spezialistin für visuelle Effekte und wollte schon immer im Filmgeschäft arbeiten. Die Genferin verfügt über einen Bachelor und einen Master in Film-, Theater- und Literaturwissenschaften und betreute im Auftrag von Cinesite, einem führenden Unternehmen der Branche, die beiden letzten Avengers-Filme. Sie ist für die fristgerechte Produktion überzeugender Effekte zuständig. Lara Lom arbeitete auch an Filmen wie «Skyfall» und «Boston» mit. Ihr bisheriger Höhepunkt war aber «Avengers: Endgame», bei dem sie ein Team von 175 Mitarbeitenden leitete. Bei einem dreistündigen Film sind das eine Menge Spezialeffekte.

  • 2. Supertalent: Beat Frutiger

Der talentierte Zürcher Art Director arbeitet seit fast 25 Jahren in Hollywood. Er war für die Ausstattung von Blockbustern wie «Star Trek» und «The Return of the First Avenger», aber auch von romantischeren Filmen wie «Elizabethtown» verantwortlich. Recherche und Design sind ein wesentlicher Bestandteil seiner Arbeit.
In «Avengers: Endgame» schuf er üppige Kulissen, so auch die Szene in «Avengers: Infinity War», in der Gamora als Kind Thanos auf dessen Planeten trifft. In «Endgame» kreierte er eine Flashback-Szene mit Captain America, die in den 1960er-Jahren spielt.
Beat Frutiger legt grossen Wert auf kleine Details. So findet man in der Ausstattung oft versteckte Hinweise auf die Schweiz, wie beispielsweise eine Ansichtskarte am Kühlschrank oder ein Werk eines Schweizer Schriftstellers im Bücherregal.

  • 3., 4. und 5. Supertalent: Markus Gross, Thabo Beeler und Bernd Bickel

In einer Szene im Abspann von «The Avengers» 2012 erscheint zum ersten Mal Thanos, der lilafarbene Riese, der Captain America und seine Freunde in späteren Filmen herausfordern wird. Seither hat sich der Superschurke als die gelungenste Figur des Marvel-Universums erwiesen. Psychologisch betrachtet verfolgt er Absichten, die tiefer gründen, als es bei Bösewichten üblich ist. In «Avengers: Infinity War» geht er gegen die Überbevölkerung vor, indem er kurzerhand die halbe Menschheit auslöscht. Damit entledigt er sich auch gleich etlicher Superhelden auf der Erde. Der von Josh Brolin verkörperte Titan mit enormem Unterkiefer und versteinerter Haut fasziniert vor allem visuell. Beeindruckend sind nicht nur die visuellen Effekte als solche, sondern auch die zahlreichen Emotionen, die der Schauspieler damit zum Ausdruck bringen kann.

Thanos © Marvel Studios 2018
Thanos © Marvel Studios 2018

Sci-Tech-Oscar

Der Erfolg dieser visuellen Effekte ist insbesondere einer in Zürich entwickelten Technologie zu verdanken, die aus einer engen Zusammenarbeit zwischen der ETH Zürich und einem Labor der Disney Research Studios, das seit zehn Jahren auf dem ETH-Campus angesiedelt ist, entstand. Vor einigen Jahren entwickelten die drei Schweizer Markus Gross, Thabo Beeler und Bernd Bickel gemeinsam mit dem Amerikaner Derek Bradley das Capturing-System Medusa, das echte Gesichter in Bewegung mithilfe von Scannern in hoher Auflösung aufzeichnet. Danach können die Körperbewegungen und Gesichtsausdrücke eines Schauspielers auf jede beliebige Trickfilmfigur übertragen werden. Die bahnbrechende Arbeit des Viererteams wurde 2019 mit einem Sci-Tech-Oscar ausgezeichnet.

Oscar © photo Cyrill Beeler
Oscar © photo Cyrill Beeler


Lanciert wurde das Projekt 2014, als die Motion-Capturing-Technik boomte. Die dafür verwendeten Scanner konnten aber gewisse Gesichtszüge nur schlecht digitalisieren, insbesondere aufgrund der Gesichtsbehaarung. Hier sorgte Medusa für beeindruckende Fortschritte, vor allem bei der Darstellung der Augen, die für die Vermittlung von Emotionen so wichtig sind. Das System scannt sämtliche Bewegungen des Gesichts eines Schauspielers engmaschig (Haut, Muskeln und Knochen). Anschliessend modelliert ein automatischer Lernalgorithmus das Gesicht der Filmfigur und erweckt sie zu realitätsnahem Leben. Über 130 Schauspielerinnen und Schauspieler wurden mit Medusa bereits erfasst, darunter Andy Serkis für seine Rolle als Oberster Anführer Snoke in «Star Wars: Die letzten Jedi».

Der Artikel erschien ursprünglich im April 2019 in der Westschweizer Zeitung Le Temps.
https://www.letemps.ch/culture/suisse-marvel-une-fascination