2019 Brochure Cailler 200 ans NCH p.2)) © Nestlé S.A

Schweizer Schokolade: eine Erfolgsgeschichte

Überall auf der Welt wird Schokolade mit der Schweiz in Verbindung gebracht. Sie wird hierzulande seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts hergestellt. Ein Blick zurück in die Geschichte der Schweizer Schokolade.

Wahrscheinlich kennen Sie die Schokolade der Marken Cailler, Suchard oder Sprüngli. Diese drei Unternehmen gehören zu den Pionieren der Schweizer Schokoladenproduktion. Zwar gab es in der Schweiz auch damals keine Kakaobäume, dafür aber jede Menge Entdecker, die von ihren Reisen Kakaobohnen mit nach Hause brachten. Sie wird hierzulande seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts hergestellt. Ein Blick zurück in die Geschichte der Schweizer Schokolade. 

Während der industriellen Revolution am Ende des 18. Jahrhunderts wollten die Menschen die Welt entdecken, Neues lernen und experimentieren. Die Konsumlust nahm zu, und es waren neue Produkte wie Kakao und Kaffee verfügbar, die man in Südamerika, Afrika und Asien entdeckt hatte

erklärt Laurent Tissot, emeritierter Professor für Geschichte an der Universität Neuenburg. «In der Schweiz wie auch anderswo suchten die Menschen neue Möglichkeiten, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Wer kein Land besass und nicht in der Landwirtschaft tätig war, musste sich auf andere Weise um ein Einkommen bemühen. Einige versuchten ihr Glück mit Süss- und Backwaren. Der Neuenburger Philippe Suchard war ein neugieriger Mensch, ein Tausendsassa, der vor neuen Ideen nur so sprudelte. Er war Lehrling in der Confiserie seines Bruders in Bern und entdeckte auf einer Reise nach Amerika die Schokolade. Er lernte, wie man Kakaobohnen verarbeitet, und gründete 1826 in Serrières seine eigene Schokoladenfabrik», so der Historiker. Zu jener Zeit gab es in der Schweiz mehrere Schokoladenhersteller. Bevor 1870 hierzulande der Patentschutz aufkam, spionierten sich die Konkurrenten gegenseitig aus. Sie zögerten nicht, von den anderen abzuschauen und bei der Konkurrenz einzukaufen, um sie schamlos zu imitieren. 

© Sprüngli

 

Cailler und die Milchschokolade

François-Louis Cailler war der erste, der in der Schweiz die Milchschokolade lancierte. Er war Lebensmittelhändler in Vevey und verkaufte in seinem Geschäft Schokolade. Eines Tages beschloss er, sie selbst herzustellen. «Die Produktion von Schokolade wurde zu seiner Hauptbeschäftigung, wahrscheinlich wegen der hohen Nachfrage und weil er die Gelegenheit hatte, sie mit einem Geschäftspartner herzustellen», erklärt Lisane Lavanchy, Historikerin und Archivarin bei Nestlé*. 1819 gründete er seine erste Schokoladenfabrik und setzte ab 1832 in seinen Fabriken Wasserkraft ein. 

Mit der Kraft des Wassers wurden die Mühlsteine zum Zerkleinern des Kakaos sowie die Maschinen, die ihn mit Zucker mischten, angetrieben. Beide Arbeitsschritte wurden dadurch erleichtert

Laut Nestlé-Archiv verkaufte Suchard seine Schokolade primär an Händler und Privatpersonen in der Westschweiz. «Die ersten Schweizer Schokoladen waren nicht wirklich gut, sie waren bitter und sahen aus wie Salz. Damals waren die Menschen kränklich, die Ernährung war schlecht. Die Schokolade war ein sättigendes Produkt, das einem ein wenig Leben einhauchte», vermutet Laurent Tissot. «Die Zugabe von Milch veränderte einiges. Im 19. Jahrhundert machte die Chemie Fortschritte, wissenschaftliche Erkenntnisse wurden vermehrt berücksichtigt.» 

 

En 1897, la société Cailler achète une propriété vers le Moulin à Broc et en 1898 la chocolaterie est opérationnelle.
1897 kaufte die Firma Cailler ein Anwesen in der Nähe der Mühle in Broc, wo 1898 die noch heute bestehende Schokoladenfabrik ihren Betrieb aufnahm. Das Unternehmen war so erfolgreich, dass die Fabrik ständig vergrössert wurde und sich die Zahl der Arbeiterinnen und Arbeiter innerhalb von sechs Jahren fast verzehnfachte.
© Historisches Archiv Nestlé, Vevey

 

Daniel Peter, der Schwiegersohn von François-Louis Cailler, verwendete als Erster Milch für die Herstellung der Schokolade. Er begann seine Versuche 1875 mit Kondensmilch. 

Milch gehört zum Image der Schweiz

Schokolade ist nicht nur ein therapeutisches Produkt, sondern auch eine Mischung aus Genuss und Notwendigkeit. Sie wirkt heilend, weil man sie mit guter Alpenluft assoziiert, die Wohlbefinden und Erholung verspricht. All diese Bilder werden in der Werbung als Verkaufsargumente eingesetzt.»

In der Form von Tafeln hatte die Milchschokolade auch jenseits der Landesgrenzen Erfolg. «Insbesondere in England mit der Gründung der Firma Peter’s Chocolate im Jahr 1896. Von da an war der Erfolg der Milchschokolade phänomenal, umso mehr als auch die Konkurrenz mit der Herstellung von Milchschokolade begann», ergänzt Lisane Lavanchy. «In Vevey, das gute Verkehrsverbindungen nach Bern, Italien und Frankreich hat, gibt es mehrere Schokoladenfabriken. Cailler siedelte sich 1898 in Broc im Kanton Freiburg an, namentlich, weil es dort zahlreiche Milchproduzenten und Arbeitskräfte, Wasserkraft sowie Platz für den Bau einer Fabrik gab. Dazu kam der herzliche Empfang der Gemeinde.» Auch wenn die Marke inzwischen zu Nestlé gehört, wird die Schokolade immer noch vor Ort hergestellt. Nur Cailler produziert ihre Milchschokolade noch immer mit Kondensmilch, und die von ihr verwendete Frischmilch stammt ausschliesslich aus der Region. 

 

Broc CH, Cailler emballage des praliné, vers 1900
Arbeiterinnen in der Faltwerkstatt, um 1910.
© Historisches Archiv Nestlé, Vevey

 

Lindt und das Conchieren

Eine weitere Erfindung revolutionierte die Welt der Schokolade: das Conchierverfahren, das 1879 eher zufällig von Rodolphe Lindt entwickelt wurde. Der Berner, der das Handwerk bei seinen Cousins in Lausanne gelernt hatte, eröffnete im selben Jahr in Bern eine Chocolaterie. Lindts Schokolade war damals noch hart und bitter, doch er war am Experimentieren. An einem Freitagabend vergass er beim Verlassen seines Geschäfts, die Maschinen auszuschalten. Sie liefen das ganze Wochenende über, und als Rodolphe Lindt in sein Atelier zurückkehrte, fand er eine glatte, zartschmelzende Schokolade vor. Die Technik des Conchierens war geboren. Ihren Erfolg verdankt sie der gleichmässigen Vermengung von Kakaobutter, Kakaomasse, Milch und Zucker. Das cremige Ergebnis ist ein ganz besonderes Geschmackserlebnis. Die Entdeckung des Conchierens war ein Meilenstein in der Geschichte der Schokolade, und die Technik wird auch heute noch von vielen Schokoladeherstellern auf der ganzen Welt angewandt. 

 

 A Lindt invention - the Conche, 1879
Eine Erfindung von Lindt: die Conchiermaschine, 1879.
© Chocoladefabriken Lindt & Sprüngli AG

 

Sprüngli setzt den Trend in der Deutschschweiz

In der Deutschschweiz gilt die Firma Sprüngli als Pionierin. David Sprüngli und sein Sohn Rudolf eröffneten 1836 eine Confiserie in Zürich und begannen 1845 mit der Schokoladenproduktion. 15 Jahre später liess die strategische Entscheidung, sich in einer Liegenschaft am Paradeplatz im Zentrum der Stadt niederzulassen, das Familienunternehmen aufblühen. Die Confiserie wurde zu einer führenden Adresse für anspruchsvolle Konditorei- und Süsswaren sowie zu einem beliebten Treffpunkt.

Im Hause Sprüngli erzählt man auch gerne, dass sich Johanna Spyri, die Autorin des Kinderbuchs Heidi, vom Zürcher Lokal habe inspirieren lassen. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde das Unternehmen Sprüngli in zwei Bereiche aufgeteilt: die Confiserie Sprüngli und die Schokoladenfabrik Lindt & Sprüngli. Letztere ist heute ein internationaler Industriebetrieb und der weltweit grösste Hersteller von hochwertiger Schokolade, während die Confiserie ein handwerkliches Familienunternehmen geblieben ist. «Die Multinationalisierung der Unternehmen ermöglichte die Eroberung der weltweiten Märkte», betont Laurent Tissot. 

In den 1880er-Jahren gründete Suchard eine Fabrik in Deutschland. Dank der multinationalen Ausrichtung konnten sich die Hersteller dem Geschmack der lokalen Kundschaft anpassen und die bisweilen hohen Zölle umgehen. Während die Globalisierung für die Marke Suchard in einer Fusion endete, hat die Marke Lindt & Sprüngli ihre Kräfte gebündelt und gilt als gelungener Zusammenschluss, der die Position der Schweizer Schokoladenindustrie gestärkt hat.

 

Die Confiserie Sprüngli feiert 2023 ihr 187-jähriges Bestehen und wird heute in sechster Generation von der Familie Sprüngli geführt. Sie gehört zu den erfolgreichsten Familienunternehmen des Landes mit mehr als 30 Geschäften, von denen sich einige im Ausland befinden.

 

Sprungli-Haus nach Umbau 1910
Fassade des Sprüngli-Hauses in Zürich, 1920.
© Sprüngli

 

* Die Schokoladenmarke Cailler wurde 1929 von Nestlé aufgekauft.

Fabrique Cailler de Broc
Aktuelle Fassade der Fabrik in Broc.
© Nestlé S.A.